Zum Buch:
Kann eine Jugend auch ohne überfülltes Kinderzimmer beeindruckend und schön sein? Oder gerade deswegen? Nach der autobiographischen Lektüre von Wioletta Greg weiß man, dass sich in der eigenen Phantasie die schönsten Bilder und Geschichten zusammenbrauen können.
In durch einen roten Faden verbundenen abgeschlossenen Geschichten erzählt die Autorin von ihrer Kindheit im sozialistischen Polen der siebziger und achtziger Jahre. Ereignisse und Personen sind in ihrer Erinnerung nachhaltig verankert, und sie versteht es, sie in wundervollen Sprachbildern zum Leben zu erwecken.
Sei es die Liebe zu der kleinen Katze „Blacky“, die eines Tages plötzlich verschwunden ist und deren Verbleib sie mit detektivischem Gespür nachzuforschen beginnt, seien es die Tierpräparationen, mit denen ihr geliebter Vater ein paar Zlotys dazu verdient, um sie beim abendlichen Pokerspiel gleich wieder zu verlieren, oder sei es ihre Anstrengung, unbedingt einen der sozialistischen Schulpreise zu bekommen, immer erzählt sie mit viel Einfühlungsvermögen und großer Präzision.
Ihr schönes Bild von Moskau, mit dem sie den Malwettbewerb gewinnen wollte, wird leider durch einen unglücklichen Zufall mit Tinte übergossen. Sie schickt es dennoch ab und muss kurze Zeit später die Raffinesse der sozialistischen Verhörmethoden kennenlernen. Instinktiv erkennt sie die Gefahr, in die sie sich und ihre Lehrerin gebracht hat, durchschaut, dass die verführerische Schokolade der Köder ist, der ihnen das Leben schwer zu machen droht. Mutig wehrt sie sich auch gegen den sexuellen Übergriff eines Arztes, wagt es aber nicht, der obrigkeitstreuen Mutter davon zu berichten.
Viel passiert in ihrer Kindheit und Jungend – einer Zeit, die sie liebevoll, aber hellwach beobachtet und reflektiert, um allem den richtigen Stellenwert zu geben.
Und es sind die vielen kleinen Dinge ihres Alltags, die obskuren Hausmittelchen, das Sammeln von Maikäfern, Marktfahrten, die Überlebensstrategien in der Großfamilie, Aberglaube oder Marienverehrung, denen sie ihre Aufmerksamkeit schenkt und denen sie poetische Schönheit einzuhauchen versteht. Man wird in eine andere Zeit versetzt, die kennenzulernen es sich lohnt.
Brigitte Hort, Eitorf