Zum Buch:
Die Wahrnehmung junger Literatur von People of Color aus Amerika hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Mit seinem Debut Unverschämtes Glück, einer Sammlung von Erzählungen, schreibt sich der Autor Jamel Brinkley zwar einerseits in eine Tradition ein, schafft jedoch andererseits neue und spannende Blickwinkel. Seine Erzählungen kreisen immer wieder um das Thema Bindung und Beziehung: zwischen Brüdern, zwischen Freunden, zwischen Eltern und Kindern und um das Unverschämte Glück, das nötig ist, damit sie gelingen oder zumindest für einen kleinen Moment dem Leben standhalten. In einer Erzählung beispielsweise finden zwei Brüder nach langer Zeit wieder zueinander. Nach ihrer gewaltvollen Kindheit gerät der Jüngere auf die schiefe Bahn, während der Ältere so weit wie möglich von seiner Familie wegzukommen versucht und Karriere macht. Nach ein paar Jahren wendet sich das Blatt. Der Ältere, aus dem Tritt geraten, sieht voller Erstaunen die Kraft, die jetzt von seinem Bruder ausgeht. Es ist dieser Wechsel in ihren Rollen, der ihnen ermöglicht, wieder aufeinander zuzugehen. Das absolut erstaunliche und schöne dabei ist die Genauigkeit, mit der Brinkley solche Szenen entwirft. Ihr Ausgang ist in jeder Sekunde fühlbar unentschieden. Rassismus und Sexismus sind in allen Erzählungen deutlich zu spüren und drohen beständig, die Situation in eine Katastrophe kippen zu lassen. Dass seine Charaktere immer gerade noch davon kommen, ob als Täter oder als Opfer, führt keineswegs zu einer Verharmlosung. Vielmehr versagt sich damit eine Art kathartischer Moment. Es bleibt bei aller Erleichterung immer ein Gefühl der Bedrohung zurück. Und vielleicht ist es das, was das unverschämte am Glück ausmacht: dass es immer weder verdient noch vollkommen ist. Brinkley schafft es dabei, keinen Moment ins Exemplarische abzudriften, und dadurch entwickeln seine Erzählungen als literarische Miniaturen des Menschlichen eine so starke Faszination.
Theresa Mayer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt